🇩🇪 Es ist einfacher gemeinsam zu schwimmen als allein
Dran bleiben mit der Hilfe von anderen
Folgendes habe ich letzte Woche gelernt: Zuzugeben, dass man sich schwach fühlt, kann einen stärker machen.
Nachdem ich im letzten Post meine Kämpfe mit dem Newsletter offenbart hatte, sendeten mehrere Freundinnen und Freunde Emails. Sie schrieben, wie sehr sie meine Worte berührten. Sie berichteten von ähnlichen Erfahrungen und beschrieben Situationen, in denen sie sich überfordert und gestresst gefühlt hatten. Sie liessen mich wissen, wie hilfreich und inspirierend mein Newsletter für sie ist. Sie machten Vorschläge, wie ich den Stress verringern könnte, und ermutigten mich, weiter nach Lösungen zu suchen.
Jede Nachricht, die meinen Posteingang erreichte, brachte mich zum Lächeln; meine Schultern entspannten sich; ich verspürte einen Energieschub. Plötzlich sahen die kommenden Wochen, die vorher wie ein Labyrinth gewirkt hatten, nicht mehr so drohend aus.
Ich war überrascht, wie tiefgreifend diese Unterstützung wirkte, physisch, mental und spirituell. Aber meine Erfahrung ist vermutlich gar nicht ungewöhnlich. Was mich zu der Frage führt: Was sagt die Forschung über den Zusammenhang zwischen Nicht-Aufgeben und sozialer Unterstützung? Wie erklären Psychologen die Wirkungen, die ich bei mir beobachtete?
Was sagt Angela?
Vor einigen Jahren interviewte ich Angela Duckworth , eine der führenden Forscherinnen zum Thema Grit, was in deutsch so viel wie Duchhaltevermögen heißt. Die 52-jährige Psychologin ist eine beeindruckende Person. Sie war MacArthur Fellow („genius award“), ist Mitbegründerin der gemeinnützigen Organisation Character Lab und lehrt an der University of Pennsylvania. Aufgewachsen mit einem ehrgeizigen Vater, der enttäuscht war, dass seine Tochter kein Einstein ist (und ihr das auch immer wieder sagte), interessiert sie sich seit ihrer Jugend für eine Frage: Woher kommt Erfolg und wie kann man erfolgreich sein, auch wenn man kein Genie ist?
Ihre wegweisende Forschung, insbesondere an der berühmten Militärakademie in West Point, wo sie Rekruten durch das mörderische 7-Wochen-Training namens The Beast begleitete, zeigen, dass Grit eine große Rolle beim Erfolghaben spielt.
Duckworth definiert Grit als „Leidenschaft und Ausdauer für langfristige Ziele“, wie sie auf ihrer Webseite erklärt. Und sie fährt fort:
Grit ist nicht Talent. Grit ist nicht Glück. Grit ist nicht, wie intensiv man im Moment etwas will. Stattdessen geht es bei Grit um ein Ziel, das einem so wichtig ist, dass fast alles, was man tun, davon bestimmt wird. Grit bedeutet, dass man an diesem Ziel festhält. Auch wenn man hinfällt. Auch wenn man es vermasselt. Auch wenn man sich dem Ziel nur sehr langsam und stockend nähert.
Durch ihre Interviews mit außergewöhnlich hartnäckigen Menschen hat Duckworth vier zentrale Qualitäten identifiziert, die Personen mit Grit charakterisieren. Hier ist eine kurze Übersicht aus ihrem Buch Grit – The Power of Passion and Perseverance:
Interesse: Menschen mit Stehvermögen lieben, was sie tun. Sie verfolgen ihr Projekt leidenschaftlich und sind fasziniert von ihrem Unterfangen.
Üben: Leute mit Grit sagen: „Ich möchte mich verbessern, was immer dazu auch nötig ist“. Sie üben systematisch und sind mit ganzem Herzen dabei.
Bestimmung: Menschen mit Grit sind davon überzeugt, dass das, was sie tun, sinnhaft und wichtig ist.
Hoffnung: Menschen mit Durchhaltevermögen gehen davon aus, dass sie durch ihre Bemühungen ihre Zukunftsaussichten verbessern können.
Wo also kommt in diesem Konzept soziale Unterstützung ins Spiel? Bezeichnenderweise taucht sie in allen Kapiteln auf.
Interesse: Andere Menschen können uns helfen herauszufinden, was uns fasziniert und als Vorbilder für leidenschaftliches Tun dienen.
Üben: Sie können uns motivieren zu üben und uns aufmuntern, wenn es nicht gut klappt.
Bestimmung: Sie können uns daran erinnern, dass unser Tun sinnvoll und wichtig ist.
Hoffnung: Und sie können uns wieder auf die Beine helfen, wenn wir am Boden liegen und uns so helfen, selbst in schwierigen Zeiten eine optimistische Haltung zu bewahren.
Was wir von einem vergesslichen Fisch lernen können
Wenn man Stehvermögen zeigen und es weiter entwickeln will, spielen andere Menschen eine entscheidend Rolle, das ist ein zentraler Punkt in Duckworths Argumentation. Dies können Eltern, Trainer, Lehrer, Vorgesetzte, Mentoren oder Freunde sein. Sie können liebevolle Unterstützung bieten, Ratschläge geben, Zuversicht in uns zeigen, als Beispiele und Vorbilder dienen, uns an unsere Ziele und vergangenen Erfolge erinnern, uns aus der Komfortzone locken und uns aufmuntern, wenn die Stimmung im Keller ist. Duckworth nennt es, Grit „von außen nach innen“ wachsen lassen.
Studien bestätigen Duckworths Punkt. Auf diese Forschung werde ich in einem späteren Post genauer eingehen. Aber nehmen wir es heute etwas leichter und wenden uns einem entzückenden, wenn auch fiktiven Beispiel für Grit zu: dem Walt Disney-Film Findet Dorie aus dem Jahr 2016.
Der Film erzählt die Geschichte von Dorie, einem kleinen Paletten-Doktorfisch, der unter Gedächtnisschwund leidet und infolge dieser Erkrankung ihre Familie verliert. Während des Films versuchen ihr Freund Nemo und Nemos Vater Marlin (Clownfische, an die man sich vielleicht aus dem früheren Film Findet Nemo erinnert) Dorie zu helfen, wieder in Kontakt zu ihren Eltern zu kommen.
Die Psychologin Caren Baruch-Feldman, Autorin des Buches The Grit Guide for Teens, erklärt anhand des Films die Bedeutung von Beharrlichkeit, Ausdauer und Zielstrebigkeit. „Dorie ist hartnäckig, Dorie ist widerstandsfähig und Dorie verfolgt ein wichtiges Ziel“, schreibt die Psychologin und erklärt, welche Überzeugungen, Einstellungen und Verhaltensweisen zu diesen Eigenschaften führen.
Darüber hinaus – und hier am wichtigsten – hebt Baruch-Feldman die zentrale Rolle von Freunden und Familie für Dories Unternehmung hervor:
Es ist wichtig festzuhalten, dass Dorie ihr Ziel nicht allein hätte erreichen können. Zunächst spornen Nemo und Marlin sie an. Dann erhält sie Unterstützung von der Krake Hank. Zudem kann sie sich auf die Erinnerungen an ihre warmherzigen und liebevollen Eltern stützen, die ihr Vertrauen und Zuversicht vermittelten. Indem sie sich all diese Hilfestellungen zunutze macht, kann Dorie unabhängiger werden und die Hindernisse bewältigen, die sich ihr in den Weg stellen.
Die Psychologin weist auf einen anderen Aspekt hin, den ich spannend finde: das fruchtbare Wechselspiel zwischen Geben und Erhalten beim Unterstützen:
Am Ende des Films sieht man Dorie mutig am Meeresrand sitzen. Was ich bemerkenswert finde, ist, dass sich nicht nur Dorie verändert und von der Unterstützung anderer profitiert hat, sondern auch sie andere um sie herum (z. B. Marlin, Hank) dazu gebracht hat, mutiger und widerstandsfähiger zu sein und sich zu entwickeln.
Mit anderen Worten, wenn wir andere um Unterstützung bitten, ist das keine Einbahnstaße: Denn meist hilft das nicht nur uns, sondern es hilft auch denen, die helfen.
Der Gedanke, dass es für meine Freunde und Familie nützlich sein kann, wenn sie von meinen Kämpfen erfahren und mir helfen, damit umzugehen, ist faszinierend. Und natürlich würde ich mich sehr freuen, wenn auch sie mich um Unterstützung bitten würden, wenn sie eigenen Probleme gegenüberstehen.
Jedenfalls ein großes Dankeschön für all Eure Unterstützung!
Logo & Banner Design by Judy Higgins