Hallo allerseits -
Danke, dass Ihr so geduldig wart. Ich habe die zweiwöchige Pause genutzt, um Energie zu tanken und über neue Perspektiven für den Newsletter nachzudenken. Und nun freue ich mich zurück zu sein!
Ich werde oft gefragt, wie ich auf Themen für Onward komme. Also dachte ich, warum Euch nicht mal hinter die Kulissen blicken lassen und erklären, wo und wie ich Ideen finde. Da die Suche nach Themen eine der Hauptaufgaben der letzten zwei Wochen war, scheint jetzt ein guter Zeitpunkt dafür zu sein. Also schnallt Euch an und genießt die Tour!
Seit meinem letzten Post habe ich mir ausgiebig Zeit genommen, genußvoll zu schmökern. So habe ich es endlich geschafft, Ann Patchetts Buch Bel Canto zu lesen, das schon seit geraumer Zeit auf meiner Liste steht. Bel Canto, veröffentlicht 2001, ist Patchetts vierter Roman und war ziemlich erfolgreich. Es basiert auf einer wahren Geschichte einer Geiselkrise in Lima, Peru, und handelt von den menschlichen Beziehungen zwischen Terroristen und Geiseln, ein Thema, das mich sehr interessiert. Es hat mir gefallen, wie Patchett dies angeht, indem sie Oper als durchgehenden Faden in die Story einflechtet („Bel canto“ bedeutet wörtlich „schöner Gesang“). Geiselnahme und Oper ist eine so überraschende thematische Kombination!
Worüber ich dann letztlich aber am meisten nachgedacht habe, waren nicht die beiden Hauptfiguren, eine Operndiva unter den Geiseln, die mit ihrem Gesang alle in ihren Bann zieht, und ein japanischer Firmenboss und Opernliebhaber, dessen Geburtstagsparty die Gelegenheit für die Geiselnahme bietet, sondern die 17-jährige Terroristin Carmen. Trotz ihrer ausgeprägten Schüchternheit steht bei Carmen alles im Zeichen von Entdeckung und Lernen: Sie freundet sich mit dem Opernstar an, erkundet die Villa, in der sich die Geiselnahme abspielt, und bittet Gen, den Übersetzer des Firmenbosses, ihr Englisch beizubringen (und , verliebt sich später in ihn). Diese Erfahrungen ermöglichen es ihr, im Laufe der Geschichte viel selbstbewusster aufzutreten. Ihre Figur berühren zwei Aspekte, die ich interessant finde: den Mut, der manchmal erforderlich ist, Gelegenheiten zum Ausprobieren und Erforschen beim Schopf zu packen, und, vielleicht noch wichtiger, die positiven Wirkungen, die Lernen auf das Selbstwertgefühl hat. Ihr werdet also in zukünftigen Beiträgen wohl noch mehr über Carmen hören.
Als ich über den Übersetzer Gen las, der mehrere Sprachen spricht, fiel mir zudem ein, dass ich mich seit einer Weile mit dem Thema Hyperpolyglotte befassen wollte. Das sind Menschen, die eine Vielzahl von Sprachen beherrschen. 2018 habe ich im Magazin New Yorker dazu eine faszinierende Geschichte gelesen. In diesem Artikel, den ich nun wieder ausgegraben habe, wird u.a. ein Doktorand am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nimwegen vorgestellt, der 22 Sprachen beherrscht. Darauf werde ich sicher bald zurückkommen.
Dann las ich einen Artikel in der New York Times, wie die 49-jährige Skibergsteigerin Hilaree Nelson am 26. September bei der Abfahrt vom Gipfel des Manaslu in Nepal ums Leben kam. Nelson hat Dutzende von Erstbegehungen von Gipfeln auf der ganzen Welt gemacht und galt als „versierteste Skibergsteigerin ihrer Generation.“ Was mich jedoch vor allem aufmerksam machte, war ein Zitat Nelsons aus einem früheren Interview, indem sie erklärte, was sie antreibt: „Ich hatte mein ganzes Leben lang diese verrückte Angst, dass jeder Tag gleich verlaufen könnte. Wenn ich wirklich tief in mich gehe, dann ist das meine Motivation, nach draußen zu gehen, zu trainieren, meinen Sport zu machen und immer mehr darüber zu lernen.“ Das brachte mich dazu, mich zu fragen, welche Rolle die Angst vor Langeweile in meinen eigenen Lernprojekten spielt (die natürlich nicht annäherend so unglaublich sind, wie mit Skiern von einem über 8.000 Meter hohen Berg hinunterzufahren…). Und ganz allgemein: Was sind die primären menschlichen Motivationen etwas zu lernen und welche sind die effektivsten?
Ein Projekt auf meiner To-Do-Liste der letzten zwei Wochen lautete, die About-Seite von Onward zu überarbeiten. Ich dachte an eine Abbildung, die verschiedene Aspekte des Lernens veranschaulicht. Also fing ich an zu googeln. Dabei fiel mir auf, dass der Begriff „Six Facets of Understanding“ immer wieder auftauchte und ich las mehr darüber, was sich dahinter verbirgt: Es ist ein Konzept, das hauptsächlich in der Pädagogik verwendet wird und Lehrern zu beurteilen hilft, wie gut Schüler ein Thema verstanden haben. Der Lehrer kann beispielsweise fragen: Kann der Schüler ein Thema erklären? Oder: Kann die Schülerin das Thema anwenden? Oder: Können die Schüler das Thema in einen Kontext stellen? Als Journalistin leuchtete mir dies sehr ein. Wenn ich eine Schreibblockade habe, steckt meist dahinter, dass ich das Thema, über das ich schreiben will, nicht richtig verstanden habe. Deshalb kann ich es nicht erklären, anwenden oder interpretieren… und dann bleibt mein Bildschirm bis auf weiteres leer. Eine interessante Frage: Wie könnte man die Idee der “sechs Facetten des Verstehens” im Alltag nutzen? Etwas zum Weiterverfolgen…
Als Skifahrerin und Yogini frage ich mich manchmal, wie lange ich diesen Aktivitäten noch nachgehen kann. Mit 70 werde ich wahrscheinlich nicht mehr auf die Piste gehen, mit 80 keinen Kopfstand mehr machen … oder doch? Ein Interview mit einer 73-jährigen Trapezkünstlerin animierte mich, meine Erwartungen zu hinterfragen. Barbara Hague hat mit 66 Jahren ihre erste Trapezstunde genommen und ist sieben Jahre später immer noch schwer aktiv, wie sie im Oldster Magazin berichtet. Altersgrenzen für das Lernen ist ein Thema, das man genauer erkunden sollte, finde ich. Als Rentnerin noch Mathematikerin werden? Als Siebzigjähriger ein Musikinstrument lernen? Mit über 80 wissenschaftliche Entdeckungen machen? Möglich, wahrscheinlich, wünschenswert? Welche Grenzen setzt uns die Natur, welche Rolle spielen gesellschaftliche und individuelle Erwartungen und wie wirken diese Dinge zusammen?
Nächste Woche werde ich mich mit einem Thema beschäftigen, über das ich ebenfalls in den letzten zwei Wochen gestolpert bin: die vielen Vorteile des Schreibens mit der Hand, für das Lernen, den Umgang mit Emotionen und viele andere Dinge. Nicht verpassen!
Falls es Dir noch nicht aufgefallen ist: Ich habe die Homepage von Onward umgestaltet. Auch die About page ist neu. Lass mich wissen, wie Dir das alles gefällt!
Bis nächste Woche!
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